Die Corona Pandemie hat vor 2 Jahren einen Boom bei mobilem Arbeiten, Digitalisierung sowie Wertpapierhandel ausgelöst. Alle drei Grundvoraussetzungen für eine digitale Anlageberatung sind damit erfüllt. Doch werden Bankkunden heute noch zum Termin vor Ort gebeten oder findet Anlageberatung mittlerweile digital für Selbstnutzer statt? Wir haben uns die Angebote deutscher Banken und Finanzinstitute zum Thema digitaler Anlageberatung angesehen. Hinter (fast) jedem Treffer einer digitalen Applikation zum Thema Anlageberatung verbirgt sich jedoch eine Vermögensberatung in Form eines Robo-Advisors. Doch fangen wir erst einmal vorne an:
Wie funktioniert Anlageberatung bei Wertpapieren?
„Sehr geehrter Herr Meier, schön, dass ich Sie erreiche. Hier spricht Herr Müller, Ihr persönlicher Finanzberater von Ihrer Musterbank. Ich hoffe es geht Ihnen gut? Ja? Sehr schön, sehr schön. Wissen Sie, wir haben festgestellt, dass sich da eine größere Summe auf Ihrem Girokonto angesammelt hat. Haben Sie damit etwas bestimmtes vor, denn wegen der Inflation wird das ja sonst immer weniger, wenn Sie das nicht investieren… nicht? Dann kommen Sie doch nächste Woche mal zu einem pers. Gespräch vorbei und wir schauen uns gemeinsam Ihre finanzielle Situation an, was meinen Sie? Am Mittwoch passt es Ihnen? 16 Uhr, ja natürlich, für Sie bleibe ich natürlich auch mal länger *lach*. Dann bis nächsten Mittwoch und vorab ein schönes Wochenende!“
So oder so ähnlich klang für Millionen Deutsche über viele Jahre und Generationen hinweg die telefonische Ansprache ihrer Hausbank. Eine Ansprache, die Exklusivität suggeriert, zu einem Gespräch bei einer Tasse Kaffee einlud. Bei dem Gespräch wurden dem Kunden nach einer kurzen Einleitung dann passende Finanzprodukte angepriesen.
Doch wie hat sich die deutsche Finanzwelt im Trend einer digitalen Welt eigentlich bisher bei Anlageberatung entwickelt? Klar, Onlinebanking und eine eigene App haben mittlerweile eigentlich alle Institute eingeführt. Doch wie gehen sie mit digital affinen, jungen Erwachsenen um, die keine Lust haben, zu einem persönlichen Gespräch vorbeizukommen oder bei denen der Begriff Hausbank knallhart durch die Girokonto-Konditionen bestimmt wird? Welche Angebote bieten die deutschen Banken ihren Kunden, die deutschlandweit seit 2024 mit weniger als 20.000 Bankfilialen auskommen müssen? Gibt es digitale Lösungen für Kunden die nicht in die Kategorie XO (Execution-only) also reine Selbstentscheider fallen?
Wir haben uns auch folgende Fragen gestellt: Können Kunden in Deutschland digital und sozusagen in „geführter“ Selbstentscheidung, die für ihre Person passenden Aktien, Fonds, Anleihen oder ETFs per Empfehlung kaufen und auch monatliche Sparpläne einrichten? Oder scheuen Finanzinstitute die Umsetzung einer digitalen Anlageberatung? Und wie funktionieren eigentlich Robo-Advisor?
Kunden brauchen Anlageberatung, sobald sie gerne in Wertpapiere investieren möchte, aber weder eine Idee haben, wie sie anfangen sollen, noch welche Wertpapiere überhaupt sinnvoll wären.
Wer nach dem Begriff „digitale Anlageberatung“ bei google suchen lässt, bekommt – zumindest bei einem Browser ohne Werbeblocker – gesponsorte Treffer angezeigt, wie beispielsweise Flossbach von Storch ONE, Quirion oder die Kreissparkasse Köln. Doch alle drei Treffer haben eines gemeinsam: Sie werben für eine digitale Vermögensverwaltung und nicht für eine digitale Anlageberatung. Doch für unaufgeklärte Kunden ist der Unterschied nicht so einfach zu verstehen, daher möchten wir die Unterschiede kurz erläutern:
Was ist eine Anlageberatung?
Seit November 2007 wurde die Anlageberatung als eine eigenständige Wertpapierleistung in § 2 Abs. 8 Nr. 10 Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) definiert. Mitarbeiter in der Anlageberatung müssen zudem gem. § 1 Abs. 1 der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV), die erforderliche Sachkunde haben. Die Bafin erklärt Anlageberatung auf ihrer Website kurz, knapp und präzise. Der Ablauf einer Anlageberatung besteht aus vier Schritten:
- Der Berater bittet Sie um Informationen
- Er informiert Sie über alle wesentlichen Umstände
- Auf Basis der Kundeninformationen empfiehlt er Ihnen ein geeignetes Produkt
- Er dokumentiert die Empfehlung
Wie unterscheidet sich nun eine Anlageberatung von einer Vermögensverwaltung?
Die Vermögensverwaltung (VV) oder auch Finanzportfolioverwaltung ist in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 geregelt. Die Beschreibung der Bafin ist logischerweise komplexer als bei der Anlageberatung, doch im Wesentlichen umfasst die VV folgende Merkmale:
- Verwaltung einzelner Vermögen
- in Finanzinstrumente angelegt
- für andere
- mit Entscheidungsspielraum
Zusammenfassend bedeutet das folgendes: Der Kunde schließt einen Vertrag über eine Vermögensverwaltung ab. Professionelle Vermögensverwalter investieren gegen eine festgelegte Servicegebühr nun – ohne, dass bei einzelnen Käufen bzw. Verkäufen der Kunde zustimmen muss – das entsprechende Vermögen des Kunden. Somit trifft der Vermögensverwalter, bei der Anlageberatung hingegen eigenverantwortlich der Kunde, die Entscheidung über Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.
Und genau hier setzen Robo-Advisor an. Advisor übersetzt sich zwar mit Berater, doch sind Robo-Advisor klassischerweise computergestützte Vermögensverwalter, durch welche das verwaltete Vermögen nach grob festgelegten Kriterien angelegt, überwacht und bei Bedarf umgeschichtet wird. Denn das bringt eine enorme Kostenersparnis mit sich, welche an den Kunden durch niedrige (laufende) Servicegebühren weitergegeben werden. Also Augen auf, ob sich hinter der digitalen Anlageberatung nicht möglicherweise doch ein Robo-Advisor für Vermögensverwaltung verbirgt.
Was folgt daraus?
Doch was heißt das nun konkret für Personen, die noch keine Erfahrung in der Wertpapieranlage haben und daher online nach Hilfestellungen suchen?
Eine echte digitale Anlageberatung, also ohne, dass es sich um eine Vermögensverwaltung handelt, ist kaum zu finden. Die Signal Iduna bietet mit onvest eine digitale Anlageberatung an, welche – ohne bereits Kunde zu sein – abrufbar ist. Bei den Sparkassen ist der Anlagekonfigurator leider nur für Bestandskunden zugänglich.
Suchen Kunden jetzt nach digitaler Anlageberatung bei ihrer Hausbank, ist dies allerdings entweder nur per Termin und nicht als Selbstnutzer online möglich. Gibt es doch eine digitale Applikation, verbirgt sich hinter dem Angebot eine Vermögensberatung getarnt als Robo-Advisor.
Somit zeigt sich ein klares Bild: Kunden, die eine persönliche Beratung nicht antreten können oder wollen und sich gleichzeitig nicht für vollständige Selbstentscheidung per eigenem Depot bereit fühlen, werden – aus Mangel an digitalen Angeboten – in eine Vermögensverwaltung gezwungen, oder müssen doch eine persönliche Beratung wählen. Schade eigentlich, denn Trends zeigen eindeutig, dass in Deutschland Aktien, Investmentfonds und Anleihen zur Geldanlage genutzt werden. Sparbücher, Lebensversicherungen, Bausparen oder Riester werden zunehmend weniger genutzt.
Genutzte Geldanlagen der Deutschen 2015 und 2024, eigene Darstellung in Anlehnung an statista
Doch die Entwicklungen am Markt gehen höchstens in Richtung einer vertriebsunterstützenden Digitalisierung und keinesfalls einer Lösung für Selbstnutzer. Die Anlageberatung wird nun nicht mehr zwingend persönlich vor Ort, sondern kann per Videocall oder Telefon durchgeführt werden. Selbst hybride Onlinelösungen, in denen der Kunde die Wahl hätte, zwischen Anlageberatung oder Vermögensverwaltung zu wählen, sind durch die technischen Anbieter am Markt zwar problemlos darstellbar, doch an Umsetzungen fehlt es leider.
Die digit.cologne bietet seinen Kunden jahrelange Erfahrung in der Digitalisierung im Bereich Finanzen, insbesondere bei Anlageberatung und Vermögensverwaltung. Wir unterstützen Banken und Finanzdienstleister im Bereich Wealth Management, angefangen bei der bedarfsgerechten Konzipierung, über die Umsetzung im Projekt, bis hin zum Livegang neuer Software. Außerdem arbeiten wir mit etablierten Partnern zusammen, welche Whitelabel- sowie Individuallösungen anbieten können, um einen schnellen Marktantritt gewährleisten zu können.