50% der Bankfilialen geschlossen – wo bleiben die digitalen Lösungen?

Banken schließen knapp 50% ihrer Filialen in den letzten 10 Jahren: wo bleiben die digitalen Alternativen für Bankkunden?

 

 

In der Vergangenheit gingen Bankkunden vor allem für kompliziertere Servicethemen, und bei Beratungsbedarfen (Bankprodukte wurden von Banken bewusst beratungsintensiv gestaltet) in Filialen und suchten den Kontakt zu einem Berater und ein persönliches Gespräch.

Heute müssen Bankkunden einen weiteren Weg in Kauf nehmen oder auf digitale Alternativen zurückgreifen: telefonische Beratung, Videoberatung (wenn man doch mal mit einem Menschen sprechen möchte) oder digitale Self-Services im Online-Banking oder der Banking-App. Fatal wäre es für Kunden, wenn Filialen geschlossen und keine digitalen Self-Services bereitgestellt würden.

Beim Blick auf die drei Sektoren in der deutschen Bankenlandschaft zeigt sich ein relativ harmonisches Bild bei der Reduzierung der Filialnetzes: Unterhielten die Banken zu Ende 2013 noch 36.196 Filialen im Inland waren es Ende 2023 nur noch 19.501 – ein Rückgang um 46,12%, fast jede zweite Filiale ist verschwunden.

Entwicklung Anzahl Bankfilialen in Deutschland 2023-2023

Für die weitere Betrachtung lasen wir die Bausparkassen und sonstigen Banken außen vor und konzentrieren uns auf Sparkassen, VR-Banken sowie Kreditbanken.

Sparkassen und Landesbanken

Das Filialnetz der Sparkassen und Landesbanken wurde in den letzten 10 Jahren massiv ausgedünnt: Statt 12.757 Filialen Ende 2013 werden den Kunden Ende 2023 nur noch 7.104 Filialen angeboten, ein Rückgang um 44,3%!

Wie verhält es sich dagegen im Bereich der digitalen Leistungsfähigkeit? Wir haben auf der Webseite der Kreissparkasse Köln, einer der größten Sparkassen nach Bilanzsumme, versucht die Funktion „Kontovollmacht erteilen“ zu finden.

Die Suche führt nach mehreren Klicks, Änderung der Suchanfrage zu „Kontovollmacht einrichten“ immerhin zu einem Treffer. ABER nach dem Login erhalten Kunden diese Ansicht:

Wir wollten eine Kontovollmacht erteilen, einrichten und erhalten nur den Hinweis, dass noch keine Vollmachten vorhanden sind. Will der Kunde eine Vollmacht einrichten, soll er sich doch bitte an einen Berater wenden?! Was inzwischen schwerer ist, schließlich sind nur noch die Hälfte der Filialen vorhanden.
Wir konnten auch nach eingehender Suche im Online-Banking keine Funktion zur Einrichtung oder Erteilung einer Kontovollmacht finden.

 

Kreditgenossenschaften

Das Filialnetz der Volksbanken wurde in den letzten 10 Jahren ebenfalls massiv ausgedünnt: Statt 11.552 Filialen Ende 2013 werden den Kunden Ende 2023 nur noch 6.588 Filialen angeboten, ein Rückgang um 43%!

Wir haben auch bei einer Volksbank nach der Möglichkeit der Einrichtung einer Kontovollmacht gesucht. Wir haben auf der Webseite der Volksbank Köln Bonn, einer der größten Volksbanken nach Bilanzsumme, versucht die Funktion „Kontovollmacht erteilen“ zu finden.

Die Suche führte zu keinem Ergebnis, es wurden nur die „Besonderen Bedingungen für Gemeinschaftskonten“ gefunden. Auch im Online-Banking oder der Banking-App konnten wir keine Möglichkeit zu Erteilung einer Kontovollmacht finden.

Auch bei der Volksbank Köln Bonn bleibt Kunden nur die Möglichkeit des Kontakts zu einem Berater!

 

Kreditbanken

Auch das Filialnetz der Kreditbanken wurde in den letzten 10 Jahren massiv ausgedünnt: Statt 10.168 Filialen Ende 2013 werden den Kunden Ende 2023 nur noch 4.572 Filialen angeboten, ein noch größerer Rückgang – im Vergleich mit der Sparkassen Finanzgruppe und genossenschaftlichen Finanzgruppe – sogar um 55%! Mehr als die Hälfte der Filialen sind in den letzten 10 Jahren wegrationalisiert worden.

Auch bei ausgewählten Banken haben wir nach der Möglichkeit gesucht eine Kontovollmacht online einzurichten.

Deutsche Bank

Bei der Deutsche Bank wird online keine Möglichkeit geboten eine Kontovollmacht einzurichten.

Auch im Downloadbereich unter „Anträge und Formulare“ ist kein Dokument zur Einrichtung einer Kontovollmacht vorhanden. Auch bei der Deutschen Bank müssen Kunden den Weg zu einem Berater suchen, um eine Kontovollmacht einzurichten.

Commerzbank

Bei der Commerzbank wird über die Suche leider kein Ergebnis für „Kontovollmacht erteilen“ gefunden, ABER mit ein wenig Suchen findet man im Serviceportal einen Hinweis auf die Funktion „Vollmacht einrichten“ im Online-Banking und ein Formular zur Einrichtung einer Vollmacht für Kunden ohne Teilnahme am Online-Banking.

Am Beispiel der Commerzbank zeigt sich eine Problematik: Nur Kunden mit Teilnahme am Online-Banking können die Vollmacht digital einreichen, Kunden ohne Teilnahme am Online-Banking müssen das Formular ausdrucken, ausfüllen und einschicken. Abgesehen davon, dass Aufwand und Portokosten an den Kunden abgewälzt werden, müssen die eingehenden Dokumente in der Commerzbank manuell bearbeitet oder zumindest digitalisiert werden, was wiederum Prozesskosten für die Commerzbank zur Folge hat.

Postbank

Bei der Postbank kann eine Vollmacht auch nur in der Filiale eingerichtet werden.

Erstaunlicherweise können bei der Postbank Geschäftskunden (vor Privatkunden) eine Vollmacht digital einrichten.

Allerdings steht die Einrichtung einer Vollmacht einschränkend nur Einzelkonten und Konten mit Einzelvertretung zur Verfügung. Eine Kontovollmacht mit verteilter elektronischer digitaler Unterschrift ist nicht möglich.

Bei der Postbank sehen wir ein zweites Problem: Nicht nur der Online-Zugang muss gegeben sein, der Self-Service zur Einrichtung einer Kontovollmacht muss auch für Gemeinschaftskonten angeboten werden.

Comdirect

Bei der Comdirect führt die Suche in den Downloadbereich und dort können Kunden das folgende Formular herunterladen, ausfüllen und einsenden.

Es ist zumindest bemerkenswert, dass eine Direktbank (ohne Filialen) keinen digitalen Service anbietet und Prozesskosten billigend in Kauf nimmt.

DKB und ING Deutschland

Bei der DKB kann ich die Vollmacht einfach und bequem im Online-Banking einrichten.

Bei der ING Deutschland können Kunden die Vollmacht ebenfalls direkt im Online-Banking erteilen.

 

Beide Banken profitieren von der Tatsache, dass alle Kunden einen Online-Zugang haben und somit digital erreichbar sind.

Fazit

Banken haben ihre Kostenvorteile bereits erreicht und durchschnittlich fast 50% ihres Filialnetzes geschlossen. Aber sie haben ihren Kunden keinen gleichwertigen Ersatz geboten, zum Beispiel durch digitale Self-Services, sondern einfach nur Leistungen begrenzt.

Banken, die keine digitalen Ersatzleistungen anbieten, verlangen von ihren Kunden, dass sie mit weniger Beratern oder weiter entfernten Filialen zufrieden sind und die Leistungen als ausreichend empfinden. Geht dies noch mit höheren Gebühren einher wird dies von (Neu-)Kunden vermutlich kritisch bewertet.

Aber was tun?

1. Prüfen, welche Self-Services nach eIDAS Verordnung mit welchem Level behandelt werden müssen.

2. Online-Zugang für alle Kunden schaffen.

Derzeit sind bei vielen traditionellen Banken nur 60-70% der Kunden mit einem Online-Zugang ausgestattet. Dies liegt vor allem daran, dass Online-Systeme gewachsen sind, als erstes wurden Girokonten mit Online-Zugängen versehen und vererbt. Will sagen, wenn Kunden bspw. kein Girokonto besitzen, wurden die anderen Kontobeziehungen nicht online geführt.

Besser ist es den Online-Zugang mit einem Kunden, einer Kunden-ID zu verbinden, wie dies bei den Digitalplayern heute üblich ist. Man stelle sich nur vor die Apple-ID wäre vom iPod vererbt worden und ein iPhone Nutzer hätte keine ID bekommen.

 

 

3. in Übergangslösungen denken

Bis zur Bereitstellung von digitalen Lösungen zumindest beschreibbare pdfs anbieten und akzeptieren, dass diese per Post eingehen. Mit entsprechenden (KI-)Lösungen kann der Input-Aufwand bereits signifikant reduziert werden.

4. Nicht nur Self-Service beachten

Auch wenn wir uns auf die Bereitstellung eines Mindestmaßes an digitaler Leistungsfähigkeit konzentriert haben, sollte jede Bank überlegen welche Beratungs- und Verkaufsgespräche digitalisiert und digital angeboten werden können. Wenn Banken Kunden zum Distanz- und Fernabsatz zwingen (durch den Wegfall von Filialen), dann sollten sie aus purem Eigeninteresse auch digitale Beratungslösungen anbieten.

Zudem sollte sich jede Bank die Frage stellen, welche persönlichen Beratungskonzepte in der digitalen Welt stattfinden können und sollten. Vielleicht ist es auch in Zukunft die telefonische Beratung, die Videoberatung, vielleicht ist aber auch ein Gedankenspiel in Richtung Metaverse angebracht.

 

 

Klar sollte allen Banken sein: “Nur die Funktionen, die online stattfinden, werden überleben”, sagt Christoph Bornschein, Gründer und CEO der TLGG Group im OMR Podcast. Das unterstreicht die Bedeutung der digitalen Transformation und die Notwendigkeit Geschäftsmodelle und Prozesse an die digitale Welt anzupassen.

 

 

 

50% der Bankfilialen geschlossen – wo bleiben die digitalen Lösungen?

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