nr. 1: das kundenverhalten hat sich bereits nachhaltig verändert
Vergleiche mit eCommerce sind interessant
Laut Statista hat der Online-Absatz von Lebensmitteln um 10% zugenommen. Wenn selbst verderbliche Lebensmittel (in der Vergangenheit hatten alle Anbieter mit geringer Nachfrage zu kämpfen) online gekauft werden, was bedeutet das dann für Bankprodukte?
Das Kaufverhalten wird sich branchenübergreifend und dauerhaft verändern – es ist nicht zu erwarten, dass Kunden nach der Aufhebung der Kontaktsperren (die nicht für den Einkauf von Lebensmitteln galt!) das Kaufverhalten wieder ändern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vorteile, eine gute User Experience, Kunden überzeugen konnten.

Digital Sales gewinnt weiter an Bedeutung
Der Trend zum Online Kauf wird sich weiter verstärken, auch neue Zielgruppen nutzen online. Der Wunsch nach Fernabsatz über Distanzkanäle wird auch erklärungsbedürftige Produkte umfassen.
Dieser Trend wird nicht vor Branchen halt machen, vor allem dann nicht, wenn die Produkte sich besser für den digitalen Verkauf, die digitale Distribution eignen als die oben genannten verderblichen Lebensmittel. Dies sollte Banken und Versicherungen Mut machen, dass der eigene Online Vertriebskanal weiter an Bedeutung gewinnen wird – nicht nur für bereits heute mit einem hohen Anteil online verkaufter Produkte wie Girokonten, Kreditkarten, Sachversicherungen und Kredite, sondern insbesondere auch bei beratungsintensiven Produkten.
Persönlicher Service ist zu niedrig dimensioniert
Die persönliche Betreuung in Callcenter Einheiten ist in den letzten Jahren aus Kostengründen konsequent optimiert worden. Bei weiter ansteigendem Anfragevolumen werden die Kapazitätsgrenzen schnell erreicht und die Kundenzufriedenheit leiden.
Aus Kostengründen ist eine neue Dimensionierung aber auch nicht immer sinnvoll.
Digitale Serviceangebote fehlen aktuell noch weitestgehend
Digitale Serviceangebote werden aktiv von Kunden nachgefragt, sind aber meist (noch) nicht vorhanden. Die Kundenlenkung auf digitale Kanäle erfolgt auf Kundenwunsch, die digitalen Angebote – wie z.B. interaktive FAQ Listen, chatbots können Kundenanfragen um bis zu 90% reduzieren – müssen erst noch entwickelt und bereitgestellt werden. Die Banken sind daher noch stärker als bisher gezwungen dringend erforderliche Investitionen in die Digitalisierung und Automatisierung ihrer Serviceprozesse nach zu holen. Positiv ist, dass sich diese Investitionen schnell amortisieren, da keine Kundengewöhnung erfolgen muss, die gewünschte Kundenlenkung erfolgt durch den Kunden selbst.
nr. 2: digitalisierung ist zum absoluten muss geworden
Investitionsstau in der Digitalisierung
Viele Banken haben in den letzten Jahren zu wenig in die Digitalisierung ihres Geschäftsmodells und ihrer Kundenanwendungen sowie Prozesse investiert. Der Kundenwunsch nach medienbruch-freien Prozessen kann aktuell nicht erfüllt werden. Spätestens mit der Kontaktsperre müssen Medienbrüche und persönliche Kontakte reduziert werden – dies gilt für die Phase der Lockerung des Lock-downs, aber voraussichtlich auch in der Zukunft, da Kunden auf die Prozesserleichterungen nicht mehr verzichten wollen.
Neubewertung von Risiken
Banken sollten prüfen, ob es Bereiche gibt, die eine Kundenerleichterung bei akzeptablem Risiko zulassen. In der Corona Pandemie Phase und auch danach sollte eine möglichst hohe Online Nutzung für Banken hohe Priorität genießen. Bestandskunden müssen oftmals eine Freischaltung zum Online Banking noch schriftlich (mit händischer Unterschrift) erteilen, was bedeutet, dass der Antrag ausgedruckt, unterschrieben und gefaxt, per Post eingeschickt werden muss. Ein digitaler Prozess erleichtert die Aktivierung für den Kunden und reduziert die Prozesskosten bei der Bank. Eine sehr gelungene Umsetzung ist bei den Sparkassen vorhanden, Kunden können sich medienbruch-frei für das Online Banking freischalten.
Videolegitimation und qualifizierte elektronische Signatur (auch bei Bestandskunden) sollte Standard bei Banken sein.
Verfügbarkeit von IT Ressourcen
IT Ressourcen sind bei den meisten Banken ein gerne nachgefragtes und selten verfügbares Gut. Die erforder-lichen Ressourcen sind schon nicht in ausreichender Zahl für den laufenden Geschäftsbetrieb vorhanden, die aktuellen Anforderungen können selten on top gemeistert werden.
Digitalisierung nicht nur zur Kostenoptimierung
Bislang wurde die Digitalisierung bei vielen Banken als Kostenoptimierung missverstanden. Mit der Coronakrise und dem sich nachhaltig ändernden Kunden-verhalten wird die Digitalisierung zu einem entscheidenden Faktor in der Kundengewinnung und –bindung.
Investitionen in die digitale Leistungsfähigkeit stellen keine Freiwilligkeit oder Optimierung mehr dar, sondern sind zwingend erforderlich, um in der Kundengunst noch eine Rolle zu spielen. Wir gehen davon aus, dass Kunden ihre Bankverbindung schon jetzt, aber auch nach Abklingen der Coronokrise vor allem nach der digitalen Leistungsfähigkeit auswählen, wer Produkte und Services nicht digital anbietet, wird von Kunden abgestraft werden – nicht nur kurzfristig, sondern unumkehrbar!
nr. 3: dezentrale und asynchrone zusammenarbeitsmodelle werden bleiben
Der Weg zurück zur Normalität wird ein langer sein – wir werden in ähnlichen Strukturen wie derzeit, übergangsweise, wenn nicht sogar dauerhaft, arbeiten müssen.
Aufholbedarf in der Digitalisierung
Die geringen Investitionen der letzten Jahre in das digitale Leistungsangebot holen viele Banken in der jetzigen Phase ein. Die aktuellen Kundenanforderungen können nicht mehr erfüllt werden, die Digitalisierung muss schnell nachgeholt werden.
Agile Projektmethoden noch nicht etabliert
Viele Anstrengungen der jüngeren Vergangenheit um schneller und effizienter am Markt zu agieren, wie die Einführung agiler Projekt-methoden, haben die gewünschten Ergebnisse noch nicht erreicht oder sind in Verbundorganisationen schwer zu etablieren. Oftmals sträuben sich gerade die IT Organisationen erfolgreich gegen den Steuerungsverlust.
Druck auf time to market weiter gestiegen
Zur absoluten Unzeit werden nun noch kürzere time to market Zyklen erforderlich, um stets auf sich ändernde Kundenwünsche reagieren zu können. Notwendige Modernisierung und Veränderungen konnten bereits in einem ruhigeren Marktumfeld nicht zufriedenstellend erreicht werden.
Remote-Arbeit als weitere Herausforderung
Wir werden dauerhaft remote zusammenarbeiten müssen. Mitarbeitende haben sich an die neue Flexibilität gewöhnt und werden die Vorteile auch in Zukunft einfordern.
Die Effizienzvorteile von dezentraler und asynchroner Zusammenarbeit haben sich in den letzten Wochen gezeigt und sollten dauerhaft genutzt werden – höhere Effizienz in Videokonferenzen als in physischen Meetings, weniger Ablenkung oder die Ersparnis von An- und Abreise zum Arbeitsplatz oder Wegfall von Reisekosten.
Autoreninfo
Tobias Ehret
Geschäftsführer der digit.cologne GmbH. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Digitalisierung von Kundenprozessen, digitaler (datengetriebener) Vertrieb sowie digitale Transformation (IT Zusammenarbeitsmodelle).