11. März 2021

In einem sich schnell wandelnden Marktumfeld ist es für Unternehmen von Vorteil, ihre Ziele und die ihrer Mitarbeitenden an der aktuellen Situation auszurichten. Das klassische Instrumentarium von Jahresplanung und Zielvereinbarung erweist sich dabei als unhandlich und ungeeignet zur Bewältigung kurzfristiger Herausforderungen wie etwa der aktuellen Corona-Pandemie. Diesem Anspruch werden OKRs – Objectives & Key Results – durch ambitionierte Zielsetzung in kurzen Intervallen gerecht.

von Sven Decker

Ursprünglich im Silicon Valley bei Intel entwickelt, wurden OKRs als Management-Framework durch Google popularisiert und werden inzwischen in zahlreichen Unternehmen eingesetzt. Kennzeichnend für OKRs sind strategische Nahziele mit ambitionierten Maßgaben für die Zielerreichung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob OKRs auf Unternehmensebene, im Abteilungs- oder im Team-Kontext zum Einsatz kommen.

Angelehnt an die „Management By Objectives“-Methodik von Peter Drucker bestehen OKRs aus zwei wesentlichen Komponenten, Objectives und Key Results.

Objectives
Im OKR-Framework kommen Objectives eine zentrale Rolle zu – sie beschreiben strategische Ziele, die ein Unternehmen in einem bestimmten Zeitabschnitt erreichen möchte. Dabei hat sich in Anlehnung an die quartalsweise Planung eine Dauer von drei Monaten als effektiv erwiesen. Ein Beispiel für ein solches Ziel könnte sein: „Unser Produktportfolio attraktiver für junge Kunden gestalten.“

Key Results
Wird Objectives die Rolle von Zielen zuteil, so beschreiben Key Results angestrebte Wege zur Erreichung des Ziels. Diese sollten messbar und quantifizierbar sein, um den Anteil der Zielerreichung erfassen zu können. Dem Beispiel von oben folgend, könnten Key Results für ein solches Objective folgendermaßen aussehen:

  • „1200 Neukunden aus dem Alterssegment 18-25 gewinnen“
  • „Zwei neue Giro-Produkte für Azubis und Studenten anbieten“


Abgrenzung zu klassischen Kennzahlen
Key Performance Indicators sind traditionell prozessbasierte Kennzahlen, die z.B. die Einhaltung von Zeitplanung oder gesetzten Budgets begleiten. Im Gegensatz dazu zielen OKRs auf das Ergebnis einer Maßnahme ab. Anders formuliert, betrachten KPIs die Effizienz einer Maßnahme, während OKRs ihre Effektivität bewerten.

Ein Beispiel hierfür stammt aus der Filmindustrie. Ein Film, der seine Budgetgrenze um 50% überschreitet und dessen Produktion 50% länger dauert als geplant, wäre in der klassischen KPI-Bewertung ein Flop, da er den vorgegebenen effizienten Planungsrahmen weit überschreitet. Ist dieser Film jedoch über alle Maßen erfolgreich, zeigen sich die Grenzen dieser Betrachtung. 

OKRs bewerten vor allem das Ergebnis, den Erfolg einer Maßnahme für ein Unternehmen.

einsatz in der praxis

Quartalsweise Planung
Abgeleitet von einer langfristigen Unternehmensvision dient die quartalsweise Planung von OKRs dazu, an der aktuellen Situation ausgerichtet den größtmöglichen Beitrag zur Erreichung dieser Vision zu identifizieren. Daraus ergibt sich, das „Dauerziele“ wie Umsatzsteigerung keine sinnvollen Objectives im Sinne des OKR-Frameworks darstellen – die Umsatzsteigerung würde sich aus der Effektivität der eigentlichen Objectives ergeben.

An Hand der Unternehmensvision, die durch den Vorstand oder die Geschäftsführung definiert wird, sollte jede Organisationseinheit ihren Beitrag zu dieser Vision selbst erarbeiten. Natürlich sind dabei strategische Vorgaben zu berücksichtigen, als gesunder Mittelwert hat sich jedoch eine Festlegung der Objectives von 60% bottom-up (aus den Organisationseinheiten) zu 40% top-down (vorgegeben durch das Management) erwiesen. Durch die enge Einbeziehung der Mitarbeitenden in die Planung der OKRs wird deren Expertise optimal zur Identifizierung ambitionierter Ziele genutzt und die Identifikation (buy-in) mit den Objectives gesteigert.

Ambitionierte Zielsetzung
Nach Identifizierung geeigneter Objectives sollten anschließend gemeinsam konkrete, quantifizierbare Key Results zu deren Erreichung festgelegt werden. Eine gute Messlatte ist der bekannte SMART-Standard nach Drucker, dem Key Results gerecht werden sollten.

Bei Setzung der spezifischen Werte ist die Expertise der Mitarbeitenden aus den jeweiligen Bereichen ein guter Indikator für ambitionierte, aber erreichbare Ziele für eine Organisationseinheit (Bereich, Abteilung, Team). OKRs sollten explizit nicht auf Personenbasis heruntergebrochen werden, da sie keine individuelle Leistungsmetrik darstellen, sondern den Beitrag einer Einheit zur Erreichung der Objectives erfassen sollen. Wenige Herausforderungen eines Unternehmens werden durch Leistung Einzelner bewältigt.

Die Zielwerte der Key Results sollten über dem für erreichbar gehaltenen Maß liegen. Dies lässt Raum für innovative Methoden und Ideen. Im Gesamtbild sollten Key Results nur zu 60-70% erfüllt werden können – wurden sie vollständig erfüllt, war der Ausgangswert nicht ambitioniert genug. Eine Untererfüllung sollte als Learning in den nächsten Planungszyklus aufgenommen werden.

Regelmäßige Puls-Checks
Um während einer laufenden OKR-Periode einen Einblick in den aktuellen Fortschritt zu erhalten und die darauffolgende Periode vorzubereiten, sollte ein regelmäßiger Austausch in der Organisation erfolgen. Bewährt haben sich hier z.B. monatliche Intervalle. Neben transparentem Fortschritt wird so auch frühzeitig sichtbar, ob ein Objective innerhalb seiner OKR-Periode realisiert werden kann.

übergeordnete ansätze

OKRs können und sollen durch Unternehmen an ihre spezifischen Ausgangs- und Rahmenbedingungen adaptiert werden. Das Framework ist explizit nicht als spezifische Vorgabe zu verstehen, sondern als Vorschlag auf Basis bewährter Standards. Einige grundsätzliche Annahmen sind jedoch untrennbar mit der Idee von OKRs verbunden.

Kurze Intervalle schlagen starre Langzeitplanung
Analog zum agilen Arbeiten gilt: Wer beweglich, flexibel und kurzfristig reaktionsfähig ist, kann enger am Markt agieren. OKRs auf Grundlage jährlicher Intervalle können den Wechsel von der klassischen Jahresplanung erleichtern, jedoch nicht ihren vollen Wert entfalten. Als belastbarer Ausgangswert hat sich ein Intervall von drei Monaten in der Praxis bewährt.

Unternehmensweite Transparenz verstärkt Zusammenarbeit
Objectives und Key Results des Unternehmens sowie seiner Organisationseinheiten sollten für jeden Mitarbeitenden im Unternehmen öffentlich sichtbar sein, unabhängig der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisationseinheit. Ebenso sollte der laufende Fortschritt transparent zugänglich sein. So ist ein jederzeitiger Blick über den Tellerrand möglich – dies schafft ideale Ausgangsbedingungen für übergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit.

Sichtbarer Fortschritt motiviert mehr als jährliche Ansprachen
Die Kombination von kurzen Intervallen mit transparentem Fortschritt schafft ein klares Bewusstsein von laufendem Fortschritt und ständiger Verbesserung. Dies fördert neben der Motivation der Mitarbeitenden auch die Wahrnehmung des Unternehmens als aktiv gestaltende und innovative Organisation.

Autoreninfo

Sven Decker

Sven Decker war Head of IT bei der digit.cologne GmbH. Mit Entwicklungs- und Führungserfahrung in agilen und klassischen Projekten arbeitet er als Übersetzer von fachlichen Anforderungen in technische Ausgestaltung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Architektur und Umsetzung von maßgeschneiderter, skalierbarer Software, die Konzeption von praxisorientierten Entwicklungsprozessen sowie die übergreifende Koordination von agilen Teams. Er bringt Startup-, Konzern- und Dienstleister-Erfahrung in seine Arbeit ein.

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