19. Dezember 2022

Analysen von Online-Leads zeigen deutliche Potenziale für die Vermeidung von Prozesskosten und für die Steigerung der Absatzzahlen auf. Werden die „richtigen“ Kunden angesprochen oder müssen Interessenten abgelehnt werden, obwohl bereits Prozesskosten angefallen sind? Werden die Interessenten angesprochen, die eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit haben, oder werden viele Besucher im Antragsprozess verloren? Eine eingehende Analyse der Online-Leads lohnt sich.

von Tobias Ehret

Kredite werden nach wie vor stark online nachgefragt, beantragt und abgeschlossen. Dem Wettbewerb im Internet stellen sich nicht mehr nur Spezialanbieter und Direktbanken, auch Geschäftsbanken verkaufen vermehrt Kredite online.

Allen Anbietern ist gemein, dass hohe Prozesskosten und kompetitive Konditionen die Marge belasten. Nicht selten führt der intensive Wettbewerb zu CPOs (cost per order) von 600 EUR und mehr für einen Online-Abschluss. Der CPO wird dabei vor allem von den Marketing- (z.B. Suchmaschinenmarketing, Provisionen für Affiliatepartner oder Preisvergleiche) und Prozesskosten (Auskunfteien, Betriebs- und Eröffnungskosten) bestimmt.

Daher ist es wichtig, die richtigen Interessenten auf den effizientesten Marketingkanälen zu erreichen. Es gilt sicherzustellen Interessenten mit einer hohen Abschlusswahrscheinlichkeit und Attraktivität für die Bank (sprich Bonität) anzusprechen.

Abgeleitet aus unseren Beobachtungen und Erfahrungswerten der letzte Jahren zeichnet sich folgendes Bild ab:

Analyse von Prozessdurchläufern nach Attraktivität und Konversionswahrscheinlichkeit
Abbildung 1: Analyse von Prozessdurchläufern nach Attraktivität und Konversionswahrscheinlichkeit
  • Geringbonitäre Prozessabbrecher:
    10-20% der Leads erfolgen von Interessenten mit niedriger Bonität und Abschlusswahrscheinlichkeit. D.h. diese Besucher brechen den Antragsprozess meist frühzeitig ab. Die anfallenden Prozesskosten halten sich in Grenzen, die Marketingkosten sind aber nicht sinnvoll allokiert.
  • Rot-Fälle
    Weitere 10-20% der Leads erfolgen von Interessenten mit niedriger Bonität und hoher Abschlusswahrscheinlichkeit. Diese Besucher werden meist im Antragsprozess abgelehnt (“Rot-Fall”) und es fallen sowohl Marketing- als auch hohe Prozesskosten an.
  • Bonitäre Prozessabbrecher
    50-60% der Leads erfolgen von Interessenten mit guter Bonität aber geringer Abschlusswahrscheinlichkeit. Diese Besucher brechen den Antragsprozess meist ab, weil die User Experience (UX) nicht ausreichend ist. Je nach Absprungpunkt des Interessenten sind neben den Marketing- auch anteilig Prozesskosten angefallen ohne einen Kreditabschluss.
  • Einreicher
    nur ca. 10% der Leads, der Interessenten sind sowohl attraktiv für die Bank als auch willens einen Kredit zu eröffnen. Für diese Interessenten sind die Marketingausgaben sinnvoll und die Prozesskosten gut investiert.
Handlungsfelder und mögliche Stellhebel für Banken

Zuerst sollten die Online-Leads analysiert und die Verteilung ermittelt werden. Anschließend können Handlungsfelder und Stellhebel individuell abgeleitet werden, z.B.

  1. Sicherstellung Marketingeffizienz: Überprüfung bestehender Marketingkanäle und Anpassung hinsichtlich Adressierung bonitärer Interessenten.
  2. Optimierung der UX: Abbau von Prozesshürden, Erhöhung des Digitalisierungsgrads (u.a. sofortige Zusage und Auszahlung) sowie Reduzierung erforderlicher Eingaben.
  3. Taktisches Zusammenspiel der Vertriebskanäle: Gezielte Überleitung in den telefonischen Verkauf und Nutzung höherer Abschlussquoten in der persönlichen Beratung.
  4. Konsequente Ausschöpfung der Vertriebspotenziale: Ausweitung der Nachfassaktionen um Prozessabbrecher und Nutzung Opt-Out für marketingfähige E-Mailadressen.

Viele Banken konzentrieren sich auf den kleinen Pool der Interessenten mit hoher Abschlusswahrscheinlichkeit und Bonität und vergessen dabei, dass alle Prozessdurchläufer Marketing- und Prozesskosten verursachen. Effizienzsteigerungen im Marketing sowie Vermeidung von Prozesskosten tragen maßgeblich zur Margenausweitung im digitalen Kreditgeschäft bei.

Autoreninfo

Tobias Ehret

Geschäftsführer der digit.cologne GmbH. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Digitalisierung von Kundenprozessen, digitaler (datengetriebener) Vertrieb sowie digitale Transformation (IT Zusammenarbeitsmodelle).

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